Es hat eine gewisse Tradition bei einigen Tech-Medien, die Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes zu bejubeln und gleichzeitig das Taxi-Gewerbe als veraltet und aus der Zeit gefallen darzustellen. So hat auch das Blog Basic Thinking einen Artikel veröffentlicht, der schon mit der Überschrift „Sorry, Taxibranche – deine Argumente sind veraltet“ das Taxi-Gewerbe provozieren soll und dann im Text einige falsche Behauptungen aufstellt.
Auch das verwendete Beitragsfoto von Pixabay unterstützt die Argumentation, dass das Taxi-Gewerbe aus der Zeit gefallen sei:
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Wie immer haben wir auf den Artikel unverzüglich per Kommentar reagiert und einige Schwächen in der Recherche und auch unwahre Tatsachenbehauptungen angegriffen. Wir haben uns dabei ausnahmsweise mal einer ähnlichen Tonalität bedient.
Unser Kommentar ist nach einem Tag noch nicht unter dem Artikel erschienen. Da wir Fragen auf facebook zum Inhalt unseres Kommentares haben, veröffentlichen wir ihn jetzt hier sozusagen als offenen Brief an die Autorin des Beitrages, Marinela Potor.
Sorry, Frau Potor, Ihre Argumente sind schlecht recherchiert!
Normalerweise halte ich mich mit Kritik an Artikeln zurück, die Meinungsfreiheit deckt auch bis zu einem gewissen Grad ab, wenn jemand sich irrt oder wissentlich Falschinformationen verbreitet, um daraus eine Argumentation aufzubauen und jemanden zu attackieren.
In diesem Fall erlaube ich mir aber eine deutliche Kritik an diesem Artikel, der verschiedene unwahre Tatsachenbehauptungen aneinanderreiht, um damit eine Branche pauschal zu verunglimpfen.
Das Personenbeförderungsgesetz ist ein Verbraucherschutzgesetz, mit dem der Staat eine Versorgung mit individuellen, verlässlichen und bezahlbaren Mobilitätsangeboten für die Bürger garantiert. Das geht nicht ohne Regeln und so wurde das Personenbeförderungsgesetz über die letzten Jahrzehnte mehrfach überarbeitet und den aktuellen Entwicklungen angepasst. Dazu gehört auch die von Ihnen kritisierte Rückkehrpflicht für Mietwagen.
Auch wenn Sie es nicht hören wollen: Das Ridepooling ist vom Taxigewerbe erfunden worden, um zum Beispiel nachts an Bahnhöfen in Kleinstädten die Zuggäste sicher, effizient und komfortabel nach Hause zu bringen. In vielen Gemeinden gibt es auch heute noch mit großem Erfolg das Sammeltaxi.
Ein Ridepooling, so wie es jetzt umgesetzt werden soll, schafft entgegen Ihrer Aussage erst einmal neue Fahrzeugflotten und damit das Gegenteil von dem, was Sie schreiben. Den Verkehr mit neuen, zusätzlichen Fahrzeugen reduzieren zu wollen, ist höchstens langfristig möglich.
Die Taxi-Branche ist nicht gegen Ride-Pooling, ganz im Gegenteil. Gerade in ländlichen Regionen kann Ride-Pooling wesentlich effizienter und umweltschonender sein, als ein Busbetrieb.
Rückkehrpflicht
Bevor man über die angeblich unsinnige Rückkehrpflicht schreibt, sollte man sie verstehen. Und es hilft auch, zu recherchieren, warum sie eingeführt wurde.
Dazu muss man etwas ausholen, aber ich mache es kurz: Taxi ist Teil des Öffentlichen Personennahverkehrs und hat deshalb viele Pflichten (Betriebspflicht, Beförderungspflicht, Tarifpflicht, etc.). Taxi ist Teil der Mobilitätsvorsorge, deshalb sind die Pflichten auch ok. Jeder Fahrgast kann sich darauf verlassen, dass er zu jeder Zeit zu klaren Kosten von A nach B gebracht wird.
Der private Mietwagen dagegen hatte keine Pflichten und kann deshalb bis heute anders kalkulieren. Er galt als Nische, quasi als luxuriöse Alternative mit Chauffeur.
Die Rückkehrpflicht wurde 1982 eingeführt, weil die sich stark vermehrenden privaten Mietwagen damit begannen, sich so verhalten, als wären sie Taxis. Das lag auch am neu eingeführten Funk. Sie warteten in der Stadt auf neue Fahrgäste und belegten dabei Parkplätze, fuhren herum oder warteten in zweiter Reihe. Das schuf Verkehrsprobleme in den Städten und ein Ungleichgewicht. Die Taxis hatten die Pflichten, die Mietwagen nicht. Deshalb hat der Gesetzgeber dann die Rückkehrpflicht eingeführt.
Fakt ist, dass die Rückkehrpflicht nicht zu mehr Leerfahrten führt. Der Anteil an Leerfahrten liegt bei Taxis und Mietwagen bei jeweils rund 50 Prozent.
Digitale Geschäftsmodelle
Da es bei dem Referentenentwurf explizit darum geht, den Markt für digitale Geschäftsmodelle zu öffnen, also nicht um soziale Gerechtigkeit und Umweltaspekte, wird der Markt auch für die Gig-Economy geöffnet. Plattformen, die abhängige, aber selbstständige Fahrer auf Zuruf nutzen, ohne Steuern und Sozialabgaben zu leisten.
Natürlich führt es zu einem Ungleichgewicht, wenn die einen Marktteilnehmer sich an Gesetze halten und ihren Beitrag leisten und andere, wie UBER, weder deutsche Gesetze noch Gerichtsurteile akzeptieren. Daran ist nichts sexy, es ist einfach ein Skandal.
Es gibt ausreichend Belege dafür, dass UBER Fahrer bei 12 bis 15 Stunden Arbeitszeit kaum genug verdienen, um ihren Lebensunterhalt zahlen zu können. Und es gibt auch Belege dafür, dass manche UBER Fahrer Hartz4 beziehen und schwarz arbeiten. Durch das Sub-Subunternehmer Prinzip ist UBER daran natürlich nicht schuld, die Verantwortung wird immer weitergeschoben. Machen Sie sich mal die Mühe die Geschäftsbedingungen von UBER zu lesen, sie werden staunen.
Stellen Sie sich mal vor, Ihr Chef wäre ein Algorithmus: Der würde Ihre Texte bewerten und Sie mal durchlassen, mal nicht. Er würde Aufträge mal durchleiten, mal andere Journalisten bevorzugen. Er würde bis zu 30% von Ihrem Honorar beanspruchen und Sie vor dem Ausschalten Ihres Computers dazu auffordern noch weiter zu schreiben. Bei nachlässiger Recherche könnte er sie auch einfach mal sperren oder ihren Zugang dauerhaft deaktivieren. Das alles ohne Begründungen, einfach so. Sie haben keinen Ansprechpartner, niemand ist für Sie da, wenn Sie mal reden möchten. Schöne, neue Welt.
Wenn Sie schreiben, dass man Taxis meist nicht per App bestellen kann, dann frage ich mich, wie sehr Sie sich überhaupt mit den digitalen Möglichkeiten und Geschäftsmodellen der Taxi-Branche beschäftigt haben. Ich behaupte: Gar nicht.
Denn sonst wüssten Sie, dass es seit über zehn Jahren (!) verschiedene Taxi-Apps gibt, mit denen man komfortabel Taxis bestellen, die Anfahrt verfolgen und nach der Fahrt auch bezahlen kann. Taxi Deutschland, Taxi.eu und Cab4me sind drei Belege dafür. Es gehört aber auch zur Wahrheit dazu, dass die Mehrheit der Taxi-Kunden tatsächlich noch am liebsten über das Telefon ihr Taxi ordert. Dass die Taxi-Zentralen natürlich auch voll digitalisiert sind, brauche ich wohl nicht weiter auszuführen.
Die Hauptkritik, dass das Taxi-Gewerbe sich nur deshalb gegen Neuerungen sperrt, weil es selbst keine Neuerungen hervorbringt, ist daher schlichtweg falsch.
Der Punkt liegt ganz woanders: Das Taxi-Gewerbe besteht in Deutschland aus 700 Taxi-Zentralen und 21.000 Unternehmern, von denen die meisten ein Fahrzeug betreiben. Das Gewerbe ist also sehr kleinteilig und daher ist es schwierig, einheitliche Lösungen einzuführen.
Die pauschale Behauptung, dass das Taxi-Gewerbe sich gegen alle Neuerungen sperrt, entbehrt jeder Grundlage. Der Bundesverband Taxi und Mietwagen hat, ebenso wie Taxi Deutschland, sehr genau die Entwürfe analysiert und aufgezeigt, welche Auswirkungen manche Änderungen haben werden. Das ist nicht nur legitim, es ist sogar dringend erforderlich.
Lesen Sie gerne mal unser Schwarzbuch Neue Mobilität. Ich habe es unter „Website“ verlinkt. Wir haben es geschrieben, um einige der Falschbehauptungen rund um die neue Mobilität den tatsächlichen Fakten gegenüberzustellen. Es finden auch Links zu Studien darin, die aufzeigen, welche Fehler in anderen Ländern bereits gemacht wurden, Fehler, die wir nicht wiederholen sollten.
Freundliche Grüße,
Markus Burgdorf
Sprecher Taxi Deutschland
Dein Blogbeitrag ist absolut fantastisch! Es ist offensichtlich, dass Ihnen die Bereitstellung hochwertiger Inhalte für Ihre Leser am Herzen liegt.