Die vom Bundesverkehrsministerium eingesetzte Findungskommission zur Festlegung eines Rahmens für die Novellierung der Personenbeförderung hat am 19. Juni 2020 ein neues Eckpunktepapier veröffentlicht, das einen Kompromiss für die Neufassung des Personenbeförderungsgesetzes vorschlägt. In den nächsten Wochen sollen nun Mitarbeiter des Bundesverkehrsministeriums daraus einen Gesetzesvorschlag erstellen, der möglichst allen Interessen gerecht wird, keine Gruppe benachteiligt und die aktuellen Herausforderungen in der Personenbeförderung aufnimmt. Ziel der Kommission aus Vertretern von Bund und Ländern war es, digitalbasierte Geschäftsmodelle rechtssicher zu ermöglichen und dabei bewährte Mobilitätsformen nicht zu zerstören.

„Auch dieses veröffentlichte Papier wird dem Auftrag nicht gerecht“, sagt Dieter Schlenker, Vorstandsvorsitzender der Genossenschaft Taxi Deutschland, „es enthält Vorschläge, die realitätsfremd sind und benachteiligt das Taxigewerbe auf eine Weise, die wir nicht für möglich gehalten haben.“

Bereits im vergangenen Jahr hatte ein erstes Eckpunktepapier von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer zuerst Entsetzen und dann andauernde Proteste des Taxigewerbes in ganz Deutschland ausgelöst.

Zu dem „Kompromiss“, den CDU/CSU, SPD und GRÜNE vorgelegt haben, sagte Alois Rainer, der verkehrspolitische Sprecher der CDU/CSU Fraktion im Deutschen Bundestag: „Die Taxibranche kann ebenfalls zufrieden sein. Eine befürchtete Verdrängung aus dem Markt wird es nicht geben. Das war uns wichtig.“

Dieter Schlenker von Taxi Deutschland widerspricht: „Wir sind alles andere als zufrieden, denn wenn dieses Papier in ein Gesetz umgesetzt wird, werden wir bald auf dem Land keine Beförderungsmöglichkeit mehr anbieten können. Betriebe werden aufgeben müssen und die Kluft im Bereich individuelle Mobilität zwischen Stadt und Land wird sich weiter verschärfen.“

Wesentliche Taxipflichten bleiben

Dass das Taxi als Teil der Mobilitätsvorsorge auch weiterhin sehr wichtig ist, hat die Findungskommission dadurch bestätigt, dass die Betriebs- und Beförderungspflicht auch weiterhin für Taxibetriebe bestehen bleiben soll. „Dem Taxigewerbe werden also auch weiterhin Pflichten auferlegt, die andere Marktteilnehmer nicht haben“, fasst Dieter Schlenker zusammen.

Taxigewerbe von Pooling-Angeboten ausgeschlossen

Die neue Mobilitätsform „Pooling“ wird in dem Entwurf als besonders förderungswürdig eingestuft. Unverständlich bleibt, warum die größte Flotte für Beförderung von dieser neuen Beförderungsart ausgeschlossen werden soll. Warum soll für das Pooling eine neue, zusätzliche Fahrzeugflotte aufgebaut werden, wenn es bereits 55.000 Fahrzeuge auf deutschen Straßen gibt, die diese Beförderungsleistung erbringen können?

„Die Regelung, das Taxi von der neuen Mobilitätsform Pooling mit Einzelplatzvermietung auszunehmen, ist einfach unsinnig. Das würde dazu führen, dass durch den Aufbau neuer Flotten von Pooling-Fahrzeugen noch mehr Autos die Städte verstopfen“, kritisiert Schlenker, „eine neue Fahrzeugflotte kann nicht im Interesse der Kommunalpolitiker und Stadtbewohner sein.“

Rückkehrpflicht für Mietwagen wird ausgehöhlt

Die Rückkehrpflicht für auftragslose Mietwagen soll offiziell beibehalten werden. Gleichzeitig soll den Kommunen jedoch erlaubt werden, bei weiten Entfernungen zum Betriebssitz „geeignete Abstellorte“ zu erlauben. „Da werden dann Hotelparkplätze, Stellflächen in Parkhäusern und ALDI- und LIDL-Parkplätze angemietet – somit ist dann die Rückkehrpflicht faktisch ausgesetzt“, so Dieter Schlenker. „Man kann doch nicht so naiv sein und diese Möglichkeit nicht bedenken. Wissen wir doch, dass viele Mietwagenunternehmer nicht in der Stadt ihren Betriebssitz haben, sondern in den umliegenden Landkreisen. Somit ist die lange Anfahrt meistens gegeben.“

Dazu kommt, dass das Eckpunktepapier der Findungskommission auf ein aktuelles Problem nicht eingeht: Da viele Mietwagenfirmen ihren Betriebssitz außerhalb der Großstädte haben, fühlt sich keiner für die Einhaltung der Rückkehrpflicht zuständig. Weder die Gemeinde des Betriebssitzes, noch die Stadt, in der meist gefahren wird. „Diese Zuständigkeiten führen dazu, dass die Rückkehrpflicht schon heute mehr auf dem Papier als in der Realität besteht“, so Schlenker.

„Der kontinuierliche Verstoß gegen die Rückkehrpflicht bei gleichzeitiger Bevorzugung der Mietwagen bei der Verteilung der Beförderungs- und Betriebspflicht ist eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung auf Kosten der Taxibetriebe“, erklärt Schlenker. „Wenn Mietwagenunternehmer Parkplätze anmieten können, ist noch weniger Kontrolle möglich. Faktisch gibt es dann keine Rückkehrpflicht mehr.“

Taxi Deutschland fordert seit Jahren die kommunalen Verwaltungen und Aufsichtsbehörden auf, die Rückkehrpflicht für auftragslose Mietwagen als wesentliches Abgrenzungsmerkmal zwischen Mietwagen und Taxi nicht weiter aufzuweichen. „Es ist ein Skandal, dass zum Beispiel für Uber fahrende Mietwagen-Unternehmer in Deutschland jeden Tag tausende Gesetzesverstöße begehen können, weil sie wissen, dass nicht kontrolliert wird“, erklärt Dieter Schlenker, „falsches Parken wird in Deutschland viel mehr kontrolliert und strenger geahndet.“

Die Genossenschaft appelliert an die Politik, die Chance zu nutzen und Voraussetzungen für eine digitale Kontrolle der Rückkehrpflicht zu schaffen.

Taxitarif soll für 70 Prozent der Fahrten aufgehoben werden

Im Taxigeschäft gibt es nach Ansicht der Kommission drei Märkte: Das Heranwinken eines Taxis ist der „Winkmarkt“, wartende Taxis an Flughäfen, Bahnhöfen und Taxiständen ist der „Wartemarkt“ und das Rufen eines Taxis über Telefon, Internet oder eine App ist der „Bestellmarkt“. Taxi Deutschland sieht den Bestellmarkt mit 70 Prozent Anteil an den Fahrten als den wichtigsten Markt an. Hier soll nach dem Willen der Findungskommission der bisher von den Kommunen festgelegte Taxitarif entfallen. Gleichzeitig wird den Kommunen die Freiheit gegeben, bestimmte Strecken, etwa zum Flughafen, mit Streckentarifen zu versehen oder einen Preiskorridor festzulegen. Eine Verpflichtung zur Festlegung von verbindlichen Beförderungstarifen soll es für die Kommunen nicht mehr geben.

Ähnliche Regelungen in Finnland und den Niederlanden haben dazu geführt, dass es außerhalb der Großstädte kaum noch Taxiunternehmen gibt. Die Versorgung auf dem Land ist damit akut gefährdet.

Vorbestellfrist nochmal überdenken

Die vom Taxigewerbe vorgeschlagene Vorbestellfrist für Mietwagen von 30 Minuten kann wirksam verhindern, dass Mietwagen einen taxiähnlichen Verkehr anbieten. Die Vorbestellfrist kann auf Städte mit über 100 000 Einwohnern beschränkt bleiben. Der Mietwagen als Teil des Mobilitätsangebots im ländlichen Raum bleibt dann auch weiterhin ohne Einschränkungen oder zusätzliche Belastungen bestehen.

Die Fahrgäste haben die Wahl: für Spontan-Fahrten steht ihnen das Taxi stets zur Verfügung, für vorbestellte Fahrten können sie zwischen den verschiedenen Mobilitätsformen wählen. Die wirksame Abgrenzung von Taxi und Mietwagen ist zwingend erforderlich, damit auch weiterhin ein Taxi-Angebot für den Kunden zu Verfügung steht. Ein solches Angebot wird von den Bürgern zu Recht erwartet.

Fachkundenachweis nur für Taxifahrer?

Skurril ist die Forderung, für Taxifahrer den kleinen Fachkundenachweis zu fordern – und für Mietwagenfahrer nicht. „Wir sind mit dem Fachkundenachweis einverstanden, aber nur, wenn er auch für Mietwagenfahrer eingeführt wird“, so Schlenker, „denn sonst wird der Nachwuchs vorrangig Mietwagen fahren – weil es einfacher ist.“

Eichpflicht entfällt?

Bislang nutzen Taxis einen amtlich geeichten Taxameter. Nun sollen auch App-basierte Lösungen erlaubt sein. Was modern klingt, birgt die Gefahr, dass die Wegstrecken nicht mehr so genau erfasst und abgerechnet werden. „Auch hier fragen wir“, so Schlenker, „warum diese Regelung nur für den Taxiverkehr gelten soll und nicht auch für Mietwagen?“

Taxi Deutschland fordert eine PBefG-Novelle, die fair ist

„Der Anspruch, eine faire PBefG-Novelle vorzubereiten, ist bislang nicht erfüllt“, fasst Dieter Schlenker zusammen, „wenn das Taxi als einzige Beförderungsform weiterhin rund um die Uhr zur Verfügung stehen soll, muss hier deutlich nachgearbeitet werden. Mogelpackungen und unausgegorene Vorschläge sind nicht hilfreich. Wir bieten der Politik einen Dialog an, der zu innovativen und zugleich fairen Rahmenbedingungen für die Mobilität der Zukunft führen wird.“