Nach zähem Ringen um die Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes hat die Findungskommission mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Juni 2020 einen Entwurf eines Eckpunktepapiers veröffentlicht, das von allen davon betroffenen Branchen und Marktteilnehmern teils heftig kritisiert wurde. Einige Kommentare aus der Szene baten darum, doch echte Experten einzusetzen. Andere, wie Taxi Deutschland, bewerteten das fünfseitige Dokument als unausgereifte Mogelpackung mit weitreichenden, negativen Folgen für die Personenbeförderung in Deutschland.

Natürlich ist eine sachliche Auseinandersetzung mit den Vorschlägen der Verkehrspolitiker ratsam, auch wenn es manchem in der Existenz bedrohten Marktteilnehmer schwerfällt. In diesem Beitrag aus unserem Schwarzbuch Neue Mobilität (2. Auflage, September 2020) haben wir genau diese sachliche Auseinandersetzung vorgenommen und jeden Punkt des Eckpunktepapiers auf Plausibilität, Durchführbarkeit und Auswirkungen auf die Personenbeförderung in Deutschland geprüft.

Eckpunkte der PBefG-Findungskommission für eine zukunftsorientierte Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes zur Ermöglichung digital-basierter Geschäftsmodelle

Schon in der Überschrift des Eckpunktepapiers fällt auf, dass Verkehrsreduzierung, Umweltschutz und bezahlbare individuelle Mobilität bei der Erneuerung der Personenbeförderung
nur eine untergeordnete Rolle spielen, denn sonst hätte man sie erwähnt. Es geht also vorrangig um die Ermöglichung digitalbasierterGeschäftsmodelle? Unser Schwarzbuch zeigt, dass digitale Geschäftsmodelle nicht automatisch erfolgreiche und nachhaltige Angebote sind. Die Erfahrungen der letzten Jahre in Deutschland und aus anderen Ländern zeigen vielmehr, dass es sich dabei
oft um von Großinvestoren finanzierte parasitäre Unternehmen handelt, die ihre Fahrer ausbeuten, Sozialstandards nicht einhalten und Steuern sowie Abgaben in den Ländern, in denen sie die Infrastruktur nutzen und belasten, nicht zahlen.

Entwurf: 11 Eckpunkte, die das PBefG auf den Stand der Zeit bringen

1. Eindeutige Regelung der genehmigungsfreien Mitnahme

Die Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen ist nicht genehmigungspflichtig und unterliegt somit nicht den Regelungen des PBefG, solange das Gesamtentgelt aller Fahrgäste den Höchstbetrag von 30 Cent pro zurückgelegten Kilometer nicht überschreitet. Dabei sind auch mittelbare Entgelte (wirtschaftliche Vorteile) zu berücksichtigen.

1.1. Die eindeutige Regelung soll durch einen dynamischen Verweis in § 1 Abs. 1 PBefG auf die Höhe der Wegstreckenentschädigung i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 1 Bundesreisekostengesetz umgesetzt werden.

1.2. Nach § 1 Abs. 1 S. 2 PBefG sind als Entgelt auch wirtschaftliche Vorteile anzusehen, die mittelbar für die Wirtschaftlichkeit einer Erwerbstätigkeit erstrebt werden. An der Einbeziehung der mittelbaren wirtschaftlichen Vorteile in § 1 Abs. 1 S. 2 PBefG soll festgehalten werden.

Hier werden freigestellte Verkehre definiert, deren Erlöse unter den variablen Kosten liegen. Diese Definition ist sinnvoll, längst überfällig und nicht zu beanstanden.

2. Einordnung bedarfsgesteuerter Pooling-Dienste des ÖPNV als Linienverkehr

Bedarfsgesteuerte Pooling-Dienste des ÖPNV brauchen eine rechtssichere Grundlage für ihre Zulassung und sollen als Linienverkehr eingeordnet werden. Sie unterliegen der Betriebs- und Beförderungspflicht, sind in den öffentlichen Verkehr einzubinden und ins ÖPNVTarifsystem zu integrieren (ein pauschaler Komfortzuschlag darf erhoben werden).

2.1. Bedarfsgesteuertes ÖPNV-Pooling soll als Linienverkehr über § 42 PBefG regulär genehmigungsfähig sein.

2.2. Es gilt die Betriebs- und Beförderungspflicht. Poolingverkehre unter dem Dach des ÖPNV erhalten hierdurch verbesserte Finanzierungsmöglichkeiten (v. a. ermäßigter Umsatzsteuersatz und Kfz-Steuerbefreiung), um diesen Diensten gerade auch im ländlichen Raum zum Erfolg zu verhelfen.

Es erscheint zunächst grundsätzlich sinnvoll, die Poolingdienste in den § 42 des Personenbeförderungsgesetzes aufzunehmen, um im ländlichen Raum Mobilität zu ermöglichen. Die Ausdünnung der ÖPNV-Angebote auf dem Land liegt daran, dass viele Strecken nicht ansatzweise kostendeckend betrieben werden können. Hier gibt es heute Alternativangebote, wie Bürgerbusse und Sammeltaxis, die diese Lücken in der Mobilitätsversorgung bereits schließen.

Jedoch muss die Frage erlaubt sein, ob die relativ kleinen Vorteile für Poolinganbieter etwas daran ändern werden, dass im ländlichen Raum auch Pooling eher nicht wirtschaftlich angeboten werden kann. In einigen Regionen Deutschlands übernehmen bereits heute Vereine mit ehrenamtlichen Fahrern diese Aufgaben, weil es eben nicht ökonomisch ist,
wenn Personalkosten zu den Fahrzeugkosten hinzugerechnet werden müssen. Es ist daher damit zu rechnen, dass die Poolingdienste sich auch weiterhin auf die größeren Städte konzentrieren, wo in Kooperation mit dem ÖPNV-Anbieter eine realistische Möglichkeit bestehen kann, kostendeckend zu arbeiten.

3. Genehmigungsfähigkeit von Pooling-Diensten außerhalb des ÖPNV

Bedarfsgesteuerte Pooling-Dienste brauchen als neue Form des Gelegenheitsverkehrs auch außerhalb des ÖPNV eine rechtssichere Grundlage für ihre Zulassung. Diese Pooling-Dienste sollen einzelne Sitzplätze vermieten dürfen und grundsätzlich nach Ausführung des Beförderungsauftrags nicht zu ihrem Betriebssitz zurückkehren müssen. Kommunen müssen, insbesondere auch zum Schutz des ÖPNV, die Möglichkeit der Steuerung dieser Verkehrsdienste erhalten.

Eine Rechtssicherheit für Poolingangebote ist grundsätzlich richtig. Wenn die Kommunen diese Poolingangebote zum Schutz des ohnehin überwiegend defizitären ÖPNV steuern sollen, dann besteht die Gefahr, dass diese Steuerung nicht durchgeführt wird und der ÖPNV in Folge noch mehr Verluste einfährt, für die final der Steuerzahler aufkommen muss.

3.1. Um auch außerhalb des ÖPNV eine reguläre Genehmigungsfähigkeit neuartiger Pooling-Konzepte sicherzustellen, wird eine neue Gelegenheitsverkehrsform „Pooling“ eingeführt. Dieser neuen Verkehrsform wird die Einzelsitzplatzvermietung ermöglicht. Der Unternehmer darf ausschließlich den Bestellmarkt bedienen, er unterliegt nicht der Betriebs- und Beförderungspflicht.

Pooling-Anbieter, die nicht der Betriebs- und Beförderungspflicht unterliegen, können sich aussuchen, wann sie fahren und wen sie mitnehmen. Das Pooling-Angebot beschränkt sich dann schnell auf die Zeiten, in denen es sich lohnt, die anderen Zeiten müssen der defizitäre ÖPNV und das Taxi abdecken. Das bedeutet leider, dass die Poolingdienste sich die Rosinen herauspicken können und damit Taxi und ÖPNV dringend benötigte Fahrgäste abnehmen, die eigentlich dazu beitragen würden, dass sich das Bereithalten und die Beförderung zu nachfrageschwachen Zeiten dennoch finanzieren lässt.

3.2. Für die neue Verkehrsform „Pooling“ gilt grundsätzlich keine Rückkehrpflicht. Die Kommunen erhalten jedoch die Möglichkeit, für auftragslose Pooling-Fahrzeuge eine Rückkehrpflicht und deren Ausgestaltung (etwa Rückkehr zu eigens eingerichteten Betriebshöfen, Abstellorten, o. ä.) durch kommunale Satzung oder im Nahverkehrsplan zu regeln. Die Geltung dieser Regelungen beschränkt sich auf das Gebiet des jeweiligen Aufgabenträgers, in dem die Poolingverkehre durchgeführt werden sollen. Eine genehmigungsbehördenübergreifende Bedienung ist nur mit Genehmigung der angrenzenden Genehmigungsbehörde gestattet.

Heute schaffen es die meisten Kommunen nicht einmal, die Rückkehrpflicht von Mietwagen durchzusetzen. Ob die Kommunen diese neuen Regelungsmöglichkeiten nutzen, wenn sie schon bisher überfordert waren, ist fraglich.

3.3. Die Kommunen müssen eine zu erreichende Poolingquote festlegen, um die Verkehrseffizienz dieser Systeme für den städtischen Verkehrsraum sicherzustellen. Die für die Berechnung der Quote zu verwendende Methodik (Personenkilometer/Fahrzeugkilometer) gilt bundesweit, die Festsetzung der konkreten Höhe erfolgt durch die Kommune. Ein Monitoring erfolgt durch die jeweils zuständige Stelle.

Auch hier wird den Kommunen ein erheblicher Bürokratieaufwand auferlegt. Das Monitoring, also das Überwachen, ob die Quote auch tatsächlich Bestand hat, erhöht den Aufwand der Kommune.

3.4. Den Kommunen werden abschließend folgende weitere Steuerungsmöglichkeiten eingeräumt:

• Festlegung eines Tarifkorridors, in dessen Rahmen der Unternehmer die Fahrpreise frei festlegen darf. Dabei muss die zuständige Genehmigungsbehörde nach Anhörung des kommunalen Aufgabenträgers verpflichtend einen Mindestpreis festlegen, der einen hinreichenden Abstand zu den ÖPNV-Tarifen sicherstellt/den jeweils geltenden ÖPNV-Tarif nicht unterschreiten darf. Darüber hinaus soll die Genehmigungsbehörde auch einen Höchstpreis für Poolingverkehre festlegen können.

• Möglichkeit einer Kontingentierung sowie zeitlicher/ räumlicher Beschränkungen der neuen Poolingverkehre, um die notwendige Steuerung der neuen Verkehrsart zu erlauben.

• Die Kommunen können Vorgaben von Sozialstandards machen. Die Sozialstandards werden in der Liste der Steuerungsinstrumente aber nicht konkret benannt.

Ein viel zu „weicher“ Vorschlag: „können“ und „sollen“. Wer will denn die Kommunen kontrollieren, ob sie ihre Befugnisse auch wirklich nutzen?

4. Taxiverkehr

Um das Taxigewerbe regulatorisch zu entlasten, wird den zuständigen Genehmigungsbehörden die Möglichkeit eingeräumt, die Taxitarifpflicht im Bestellmarkt zu lockern. Die Ortskundeprüfung für Taxifahrer wird durch die Pflicht zur Vorhaltung eines dem Stand der Technik entsprechenden Navigationsgeräts ersetzt.

Die für Taxen geltende Betriebs- und Beförderungspflicht soll beibehalten werden.

Im Taxigeschäft gibt es nach Ansicht der Kommission drei Märkte: Das Heranwinken eines Taxis ist der „Winkmarkt“, wartende Taxis an Flughäfen, Bahnhöfen und Taxiständen sind der „Wartemarkt“ und das Rufen eines Taxis über Telefon, Internet oder eine App ist der „Bestellmarkt“.

Taxi Deutschland sieht den Bestellmarkt mit 70 Prozent Anteil an den Fahrten als den wichtigsten Markt an.

Hier soll nach dem Willen der Findungskommission der bisher von den Kommunen festgelegte Taxitarif entfallen. Gleichzeitig wird den Kommunen die Freiheit gegeben, bestimmte Strecken, etwa zum Flughafen, mit Streckentarifen zu versehen oder einen Preiskorridor festzulegen. Eine Verpflichtung zur Festlegung von verbindlichen Beförderungstarifen soll es für die Kommunen
nicht mehr geben.

Ähnliche Regelungen in Finnland und den Niederlanden haben dazu geführt, dass es außerhalb der Großstädte kaum noch Taxiunternehmen gibt. Die Versorgung auf dem Land ist damit akut gefährdet.

4.1. Taxen dürfen weiterhin auf dem Wink-, Warte- und Bestellmarkt tätig sein. Dabei gilt auf dem Wink- und Wartemarkt der mithilfe des Fiskaltaxameters ortsübliche Taxitarif. Neben dem klassischen Fiskaltaxameter ist auch die Nutzung eines zugelassenen App-basierten Systems zulässig.

Wer nutzt noch einen Fiskaltaxameter, wenn es eine simple App, die GPS-Daten nutzt, auch tut? Hier wird der Verbraucherschutz ausgehebelt.

4.2. Auf dem Bestellmarkt darf der Unternehmer die Fahrpreise hingegen frei festlegen. Kommunen können für den Taxitarif im Bestellmarkt einen Tarifkorridor mit Mindest- und Höchstpreisen vorsehen; für Relationen zu häufig frequentierten Zielen (z. B. Flughafen, Bahnhof, Messegelände) können sie bei Bedarf Streckentarife festlegen.

Festpreise bei Bestellungen und wiederkehrenden Fahrgästen sowie festen Strecken sind für das Taxigewerbe möglich. Ein Tarifkorridor wird in der Praxis Schwierigkeiten bringen. Wer legt den jeweiligen Fahrpreis fest? Der Fahrer? Die Taxizentrale? Der Unternehmer? Wie funktioniert diese freie Preisgestaltung mit dem Fiskaltaxameter?

Streckentarife müssten so gestaltet sein, dass auch Unwägbarkeiten abgedeckt sind.

4.3. Taxen haben auch weiterhin die Möglichkeit, mehrere Personen bzw. Personengruppen zu transportieren. Lediglich die (auf Bestellung erfolgende) Einzelplatzvermietung soll der neuen Verkehrsform „Pooling“ vorbehalten bleiben.

Unverständlich bleibt, warum die größte Flotte für Beförderung von dieser neuen Beförderungsart ausgeschlossen werden soll. Warum soll für das Pooling eine neue, zusätzliche Fahrzeugflotte aufgebaut werden, wenn es bereits 55.000 Fahrzeuge auf deutschen Straßen gibt, die diese Beförderungsleistung erbringen können?

Die Regelung, das Taxi von der neuen Mobilitätsform Pooling mit Einzelplatzvermietung auszunehmen, ist einfach unsinnig. Das würde dazu führen, dass durch den Aufbau neuer Flotten von Pooling-Fahrzeugen noch mehr Autos die Städte verstopfen – eine neue Fahrzeugflotte kann nicht im Interesse der Kommunalpolitiker und Stadtbewohner sein.

4.4. Die Ortskundeprüfung für Taxifahrer wird durch die Pflicht zur Vorhaltung eines dem Stand der Technik entsprechenden Navigationsgeräts ersetzt. Als ein dem Stand der Technik entsprechendes Navigationsgerät gilt auch ein Software-basiertes System mit den oben genannten Funktionen auf einem Smartphone oder einem entsprechenden Endgerät.

Durch die Ortskundeprüfung kennen Taxifahrer und -fahrerinnen ihr Einsatzgebiet besonders gut. Sie kennen Hotels und Veranstaltungsorte und wissen auch, wie man zu bestimmten Uhrzeiten flüssig durch die Stadt kommt. Die Abschaffung der Ortskundeprüfung wird sicher von vielen begrüßt, ist aber auch Verzicht auf die Qualifikation, die man vom Taxifahrenden erwarten darf.

4.5. Ferner wird ein Kleiner Fachkundenachweis eingeführt (Regelung im Fahrerlaubnisrecht).

Eine skurrile Forderung, für Taxifahrer den kleinen Fachkundenachweis zu fordern – und für Mietwagenfahrer nicht. Das führt dazu, dass der Fahrernachwuchs dann lieber Mietwagen fährt. Es wäre empfehlenswert, den Fachkundenachweis allen Fahrern aufzuerlegen, damit eine gerechte Regelung erreicht wird.

4.6. Zur Sicherstellung eines flächendeckenden Angebots von Taxiverkehren auch in der Fläche wird im Gesetz die Möglichkeit geschaffen, dass die ÖPNV Aufgabenträger in Räumen mit einer generellen oder tageszeitlichen Unterversorgung entsprechende Taxiverkehre aus öffentlichen Mitteln finanzieren können.

Diese Regelung ist sinnvoll, denn das Taxi wird deutlich günstiger sein als ein Bus.

5. Mietwagenverkehr

An der Rückkehrpflicht für auftragslose Mietwagen wird festgehalten. Kommunen erhalten jedoch die Möglichkeit, bei weiten Entfernungen (in flächenmäßig großen Kommunen) die Ausgestaltung der Rückkehrpflicht zu regeln (z. B. Zulassung weiterer geeigneter Abstellorte ab einer bestimmten Distanz vom Hauptsitz). Diese Beschränkung der Rückkehrpflicht auftragsloser Mietwagen gilt nur im Gebiet des jeweiligen Aufgabenträgers.

Die Rückkehrpflicht für auftragslose Mietwagen soll offiziell beibehalten werden. Gleichzeitig soll den Kommunen jedoch erlaubt werden, bei weiten Entfernungen zum Betriebssitz „geeignete Abstellorte“ zu erlauben. Da werden dann Hotelparkplätze, Stellflächen in Parkhäusern und Supermarkt-Parkplätze angemietet – somit ist dann die Rückkehrpflicht faktisch ausgesetzt. Es wirkt naiv, diese Möglichkeit nicht zu bedenken. Es ist bekannt, dass viele Mietwagenunternehmer nicht in der Stadt ihren Betriebssitz haben, sondern in den umliegenden Landkreisen. Somit ist die lange Anfahrt meistens gegeben.

Dazu kommt, dass das Eckpunktepapier der Findungskommission auf ein aktuelles Problem nicht eingeht: Da viele Mietwagenfirmen ihren Betriebssitz außerhalb der Großstädte haben, fühlt sich keiner für Einhaltung der Rückkehrpflicht zuständig. Weder die Gemeinde des Betriebssitzes noch die Stadt, in der meist gefahren wird. Diese Zuständigkeiten führen dazu, dass die Rückkehrpflicht schon heute mehr auf dem Papier als in der Realität besteht.

Der kontinuierliche Verstoß gegen die Rückkehrpflicht bei gleichzeitiger Bevorzugung der Mietwagen bei der Verteilung der Beförderungs- und Betriebspflicht ist eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung auf Kosten der Taxibetriebe. Wenn Mietwagenunternehmer Parkplätze anmieten können, ist noch weniger Kontrolle möglich. Faktisch gibt es dann keine Rückkehrpflicht mehr.

Taxi Deutschland fordert seit Jahren die kommunalen Verwaltungen und Aufsichtsbehörden auf, die Rückkehrpflicht für auftragslose Mietwagen als wesentliches Abgrenzungsmerkmal zwischen Mietwagen und Taxi nicht weiter aufzuweichen. Es ist ein Skandal, dass zum Beispiel für Uber fahrende Mietwagen-Unternehmer in Deutschland jeden Tag tausende Gesetzesverstöße begehen
können, weil sie wissen, dass nicht kontrolliert wird. Falsches Parken wird in Deutschland viel häufiger kontrolliert und strenger geahndet.

Das Taxigewerbe appelliert an die Politik, die Chance zu nutzen und Voraussetzungen für eine digitale Kontrolle der Rückkehrpflicht zu schaffen.

5.1. Um Rechtsunsicherheiten in Bezug auf die Interpretation der Norm zu vermeiden, wird die in § 49 Abs. 4 S. 4 PBefG enthaltene buchmäßige Erfassung um die Möglichkeit einer elektronischen Erfassung von Auftragseingängen beim Unternehmer (nicht unmittelbar beim Fahrer) ergänzt. Auch App-basierte Auftragseingänge werden hierdurch expressis verbis ermöglicht.

Die Aufzeichnungen sollten – gerade bei elektronischer Erfassung – nicht änderbar sein, so dass eine ähnliche Kontrollmöglichkeit besteht wie im Taxigewerbe.

5.2. Es soll keine Vorbestellfrist als zusätzliches Abgrenzungskriterium zu anderen Verkehrsarten eingeführt werden.

Das Geschäftsmodell von Uber ist auf Basis ständiger Gesetzesverstöße aufgebaut. Eine Bestellung ohne Wartezeiten ist nämlich nur möglich, wenn sich der Uber-Fahrer in der Nähe des Bestellenden aufhält. Das bedeutet aber auch, dass die Rückkehr zu den oft viele Kilometer vom Stadtzentrum entfernten Betriebsstätten die Wartezeiten deutlich verlängern würde. Deshalb
missachten viele Fahrer, die für Uber fahren, die Rückkehrpflicht generell und halten sich im Zentrum, am Flughafen und an Hotspots des Nachtlebens auf.

Die einzige wirksame Beeinflussungsmöglichkeit gegen dieses Verhalten wird von der Findungskommission abgelehnt. Die vom Taxigewerbe vorgeschlagene Vorbestellfrist für Mietwagen von 30 Minuten kann wirksam verhindern, dass Mietwagen einen taxiähnlichen Verkehr anbieten. Die Vorbestellfrist kann auf Städte mit über 100.000 Einwohnern beschränkt bleiben. Der Mietwagen als Teil des Mobilitätsangebots im ländlichen Raum bleibt dann auch weiterhin ohne Einschränkungen oder zusätzliche Belastungen bestehen.

Die Fahrgäste haben die Wahl: Für Spontanfahrten steht ihnen das Taxi stets zur Verfügung, für vorbestellte Fahrten können sie zwischen den verschiedenen Mobilitätsformen wählen. Die wirksame Abgrenzung von Taxi und Mietwagen ist zwingend erforderlich, damit auch weiterhin ein Taxiangebot für den Kunden zu Verfügung steht. Ein solches Angebot wird von den Bürgern zu Recht erwartet.

5.3. Neben dem Wegstreckenzähler ist auch die Nutzung eines zugelassenen App-basierten Systems zulässig.

Bisher war der Wegstreckenzähler geeicht. Will man in Zukunft auf diese Verbraucherschutzmaßnahme verzichten, oder sollen die „zugelassenen Apps“ dann auch geeicht werden?

5.4 Den Kommunen wird die Möglichkeit eingeräumt, Anti-Dumping-Regelungen (z. B. Mindestpreis) festzulegen.

Wiederum wird die Regelung auf die Kommunen abgewälzt. Das sind die gleichen Kommunen, die in den letzten Jahren nicht einmal das PersBefG durchsetzen konnten. Bei der Auftragsfülle für die Kommunen ist sehr zweifelhaft, ob diese den höheren Anforderungen gerecht werden können. Es ist zu befürchten, dass es bei der Mehrzahl der Kommunen dann keine Mindestpreise geben wird. Zumindest, bis sich herausstellt, dass der ÖPNV noch deutlich tiefer in die roten Zahlen rutscht.

6. Mischkonzessionen

Den Kommunen soll die Möglichkeit eingeräumt werden, in Orten mit weniger als 50.000 Einwohnern eine Genehmigung für den Taxenverkehr, den Mietwagenverkehr und den gewerblichen Poolingverkehr für denselben Personenkraftwagen zu erteilen.

Das widerspricht der Aussage aus Punkt 4.3. Aber es ist sinnvoller als die Regelung aus 4.3, nach dem das Taxigewerbe vom Pooling ausgeschlossen sein soll. Offenbar hat man erkannt, dass die Mobilitätsvorsorge auf dem Land und in kleineren Städten bei Umsetzung der Aspekte aus dem Eckpunktepapier akut gefährdet ist und wirft so noch ein paar Brosamen zu.

6.1. Vor Fahrtantritt muss klar sein, um welche Transportform es sich handelt.

„Sie sitzen zwar gerade in meinem Taxi, aber diesen Auftrag nehme ich als Mietwagen entgegen und damit brauche ich Sie die 300 Meter nicht zu fahren.“ Auch hier wird das Recht der Fahrgäste eingeschränkt, denn für Mietwagen gilt keine Beförderungspflicht.

6.2. Die Wahrung der Betriebs- und Beförderungspflicht für Taxiverkehr mit Mischkonzession muss sichergestellt werden. Diese Betriebs- und Beförderungspflicht erstreckt sich hingegen nicht auf Mietwagenverkehre und gewerblichen Poolingverkehr mit den mischkonzessionierten Fahrzeugen.

Hier wird der Punkt 6.1 nur noch einmal bekräftigt. Nehme ich den Auftrag als Taxi an, gilt auch weiterhin die Betriebs- und Beförderungspflicht. Nutze ich meine Mietwagen- oder Poolingkonzession, kann ich Feierabend machen und den Fahrgast im Regen stehen lassen.

7. Kennzeichnungspflicht von Taxen, Mietwagen und Pooling-Diensten

Bei Verkehren in Orten über 50.000 Einwohnern müssen Taxen, Mietwagen und Pooling Dienste jeweils eindeutig erkennbar sein. Dafür ist keine spezielle Farbgebung erforderlich, es genügen einheitlich beleuchtete Taxischilder bzw. jeweils einheitliche Ordnungsnummern für Mietwagen und Pooling-Dienste. Die Kennzeichnung von Taxen, Mietwagen und Pooling-Diensten soll nicht durch ein neues Kennzeichen bzw. Nummernschild erfolgen.

Die Taxifarbe Hellelfenbein ist ein weithin bekanntes Erkennungszeichen für Taxis. Schon aus der Entfernung kann ich sehen, dass da ein Taxi fährt, welches ich herwinken kann. Man erkennt auch Taxistände bereits von weitem. Wird dieses Alleinstellungsmerkmal aufgehoben, ist das Taxi nur noch durch das eher kleine Taxischild als Taxi erkennbar. Es hilft den Mietwagenunternehmen,
wenn das Hellelfenbein aus dem Straßenbild verschwindet und Taxis silber, grau, rot, gelb, schwarz oder grün sein können.

Unverständlich ist, warum man die Kennzeichnung von Taxis, Mietwagen und Pooling-Fahrzeugen nicht über das Kennzeichen vornimmt. Andere Länder, wie die Niederlande, sind damit erfolgreich. Stattdessen soll eine Ordnungsnummer als Kennzeichen reichen. Wie wird verhindert, dass jemand die Ordnungsnummer entfernt und somit als „Privatfahrzeug“ in der Stadt auf Fahrgäste wartet und dadurch die Rückkehrpflicht aushebelt?

8. Verpflichtende Bereitstellung von Mobilitätsdaten

Statische und dynamische Verkehrsinformationen (d. h. auch Echtzeitdaten) ermöglichen effiziente, sichere und intelligente Lösungen für die Mobilität der Zukunft. Durch sie erst wird eine Bereitstellung multimodaler Reiseinformationsdienste möglich, durch eine effizientere Verkehrslenkung können sie zur Stauvermeidung beitragen sowie einen signifikanten Beitrag zum Klimaschutz liefern. Vor diesem Hintergrund sollen Anbieter von Personenbeförderungsdiensten und Mobilitätsplattformbetreiber nach finnischem Vorbild dazu verpflichtet werden, standardisierte wesentliche Daten (umfasst auch Echtzeitdaten) zu ihren Dienstleistungen für Kommunen und Dritte über standardisierte Schnittstellen bereitzustellen.

8.1. Als „wesentlich“ gelten mindestens Informationen über die Routen, Haltepunkte, Fahrpläne, Positionen in Echtzeit, Preise, Verfügbarkeit und Barrierefreiheit.

8.2. Ziel ist die verbindliche Regelung über eine datenschutzkonforme Bereitstellung von Mobilitätsdaten im PBefG.

8.3. Auch die Betreiber von Mobilitätsplattformen sollen die Pflicht haben, Daten bereitzustellen, wenn die Plattformen genehmigungspflichtig sind.

Das kann sinnvoll sein, wenn es nicht bürokratisch zu aufwendig wird. Eine Funktion zur Erfassung und Übermittlung der Daten kann in die digitalen Systeme aufgenommen werden. Das macht aber nur Sinn, wenn die Kommunen auch in die Lage versetzt werden, die Daten auszuwerten und dann Maßnahmen zur Verbesserung des Verkehrsflusses zu ergreifen.

9. Herstellung einer weitgehenden Barrierefreiheit

Beim Pooling innerhalb des ÖPNV muss Barrierefreiheit immer gewährleistet sein. § 8 Abs. 3 findet hierauf Anwendung. Um auch außerhalb des ÖPNV eine möglichst weitgehende
Barrierefreiheit herzustellen, sollen kommunale Aufgabenträger Vorgaben zur Verfügbarkeit von Inklusionstaxen und barrierefreien Fahrzeugen im Pooling-Betrieb ab einer bestimmten Mindestanzahl von Fahrzeugen einführen. Diese Vorgaben beziehen sich auf den jeweiligen Unternehmer. Es wird ein bundesweit einheitlicher Richtwert festgesetzt. Die Wirksamkeit der Vorgaben
wird fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes evaluiert und bei Bedarf durch verbindliche Regelungen ersetzt.

Eine Regelung, die ganz einfach ausgehebelt werden kann: Der Unternehmer nutzt für jedes Fahrzeug einen Subunternehmer – und schon ist Punkt 9 nichts mehr wert.

10. Stärkung des Klimaschutzes

Seit 01.01.2020 können die Länder im Landesrecht im Bereich des Taxen- und Mietwagenverkehrs Vorschriften in Bezug auf die Fahrzeugemissionen regeln (§ 64b PBefG). Gleiches soll auch für die neue Gelegenheitsverkehrsform „Pooling“ gelten. Zudem soll das Schutzziel der „Umweltverträglichkeit“ im PBefG verankert werden.

Fast vergessen, dass wir ja auch noch Klimaziele haben. Also erfinden wir eine neue Vorschrift für die Fahrzeugemissionen. Das sollte reichen. Tatsache ist doch, dass aufgrund nicht ausreichend vorhandener Lade-Infrastruktur (zum Beispiel an Taxiständen, vor Bahnhöfen und Flughäfen) die Wartezeiten nicht zum Aufladen der Akkus genutzt werden können und folglich die Elektrifizierung des Taxigewerbes stockt. Hier sind also auch die Kommunen gefragt, erst einmal die Voraussetzungen zu schaffen, dass die E-Mobilität nicht beim Plugin-Hybrid endet.

11. Genehmigungspflicht der digitalen Vermittlung

Klarstellung der Genehmigungspflicht der digitalen Vermittlung im PBefG einschließlich der Verantwortung der Plattformbetreiber auch für die Einhaltung der Standards und der kommunalen Regeln durch ihre Fahrdienstleister (Genehmigungspflicht besteht für den Fall, dass der Vermittler maßgeblichen Einfluss auf die Bedingungen der ausgeführten Fahrt nimmt oder aus Kundensicht als Vertragspartner erscheint).

Grundsätzlich ist eine Verantwortung der Plattformbetreiber für das Verhalten ihrer Subunternehmer und deren Sub-Sub-Unternehmer richtig und schon lange überfällig. Doch diese Verantwortung muss auch gelebt werden. Wenn also der Subunternehmer gegen die Regeln verstößt, darf ein Firmensitz des Plattformbetreibers im Ausland nicht dazu führen, dass nicht sanktioniert werden kann. Hier wünscht man sich auch zumindest einmal etwas über soziale Standards, Bezahlung, Arbeitszeiten und Arbeitnehmereigenschaft der Fahrer zu lesen. Denn gerade in diesem Bereich gibt es keine Regelungen. Das ist sehr erstaunlich, wenn selbst im libertären Wirtschaftssystem der USA Regelungen geschaffen werden, die Ausbeutung der Fahrer durch die Firmen der Gig-Economy einzudämmen.

Will sich Deutschland auf Dauer ein Fahrer-Prekariat aus Sub-Sub-Unternehmern heranziehen, die keinerlei Rechte haben und bis zum Einschlafen am Steuer sitzen und dennoch ihre Miete kaum zahlen können? Ist das unsere soziale Marktwirtschaft, oder verschließen wir wieder mal die Augen vor dem Elend?

 

Das Schwarzbuch Neue Mobilität können Sie sich über diesen Link herunterladen.